Der KLimanotstand wurde ausgerufen!
Der Konstanzer Gemeinderat hat am 2. Mai 2019 als erste Stadt Deutschlands einstimmig den Klimanotstand ausgerufen. Damit erkennt die Stadt die Dringlichkeit zu Handeln an und wird ab jetzt bei jeglichen Entscheidungen die Auswirkung auf das Klima berücksichtigen. Die verabschiedete Resolution orientiert sich stark an unserer ursprünglichen Resolution. Diese haben wir allen Fraktionen in persönlichen Gesprächen vorgestellt. Sie wurde anschließend fraktionsübergreifend in den Gemeinderat eingereicht. Nach erneuten persönlichen Gesprächen mit allen Fraktionen einigten wir uns auf die später einstimmig beschlossene Fassung.
Hier ist noch Unser Weg in den Klimanotstand, für Presse und Nachahmer*innen.
Der Klimanotstand hat für uns viele Bedeutungen, er ist jedoch kein Notstand im eigentlich rechtlichen Sinne, der die Grundlagen unserer Demokratie aushebelt. Aber ab sofort muss jede Entscheidung des Gemeinderates auf ihre Vereinbarkeit mit Klima-, Umwelt- und Artenschutz geprüft wird und stets in diesem Sinne gehandelt wird. Durch die Ausrufung des Klimanotstandes erkennt der Konstanzer Gemeinderat den Klimawandel als akute Bedrohung an und erklärtdie Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen zur Aufgabe von höchster Priorität. Zu lange hat die Politik so getan, als ob sie alles im Griff hätte und die Katastrophe herunter gespielt, auf die wir zurasen. Und als Folge handelte auch die Mehrheit der Bevölkerung nicht. Damit wir alle aufwachen können brauchen wir den Klimanotstand!
Die Ausrufung des Klimanotstandes darf und ist keine reine Symbolpolitik – sie ist aber ein lautes und klares Symbol. Nur wenn die Politik zugeben kann, dass sie allein der Krise nicht gewachsen ist, wird die breite Bevölkerung den Ernst der Lage erkennen und entsprechend handeln. Das ist jetzt geschehen. Jetzt heißt es wirklich alle zu erreichen und den Ernst der Lage aufzuzeigen.
Es kann und ist nur der erste Schritt, die Krise, in der wir uns gerade befinden, beim Namen zu nennen. Anschließend müssen alle Kräfte aus Politik und Bevölkerung gebündelt werden, um gemeinsam sofortige und entschlossene Anstrengungen zum Klimaschutz zu leisten. Aber genau dieser erste Schritt ist wichtig und ist getan! Die Stadt muss hat sich klar dazu bekennt und ein Signal an alle Bürger gesendet, dass die bisherigen Pläne und Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen um einen totalen Klimakollaps zu verhindern.
Die Stadt Konstanz versuchte uns bis jetzt ein Bild zu vermitteln, als seien wir auf einem guten Weg beim Klimaschutz und verschwieg uns das Ausmaß der immensen Krise, in welcher wir uns befinden. Wie können wir auf einem guten Weg sein, wenn schon lokal die selbst gesteckten Ziele von 2008 (STEP2020), 2012 (2000-Watt-Stadt) oder 2016 (Integriertes Klimaschutzkonzept) nicht eingehalten werden? Und selbst diese Ziele reichen nicht aus, um die Erderhitzung auf 1.5 °C zu begrenzen, wie es 2015 in Paris beschlossen wurde. Wer kann noch ernsthaft behaupten, wir seien auf einem guten Weg, wenn laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) unser CO2-Budget längst aufgebraucht ist? Laut IPCC muss, um die globale Durchschnittstemperatur gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter mit einer Wahrscheinlichkeit von 93 % unter 2 °C zu halten, die Konzentration von Treibhausgasen auf oder unter 350 ppm CO2-Äquivalent gehalten werden. Sie beträgt heute über 410 ppm. Das Gefährliche sind aber vor allem unkontrollierbare Kippelemente im Klimasystem. Diese werden beim Überschreiten einer bestimmten Temperatur angestoßen. Sie bilden ursprünglich einen Treibhausgas-Speicher, können aber bei Überschreitung einer bestimmten Temperatur kippen und die gespeicherten Klimagase wieder freisetzen. Ein Beispiel dafür ist der Permafrost, in welchem weltweit ungefähr die zweifache Menge der in der Atmosphäre befindlichen Treibhausgase (Kohlendioxid und Methan) gespeichert ist. Es gibt zahlreiche weitere Kippelemente die, einmal angestoßen, eine unkontrollierbare Erhitzung der Erde zur Folge haben würden.
Deshalb forderten wir: Schluss mit dem Schönreden und den Beschwichtigungen! Die Stadt muss jetzt ehrlich berichten und die Bevölkerung über das Ausmaß der Klima-, Umwelt- und Artenkrise aufklären! Und zwar regelmäßig, mindestens zwei Mal pro Jahr. Dabei geht es uns nicht um lange schriftliche Berichte mit aufwändig recherchierten CO2-Werten – sondern um eine klare Ansage vom Oberbürgermeister, was passiert gerade in der Stadt zum Klimaschutz, was läuft gut und vor allem auch: wo klemmt es.
Mit der Ausrufung des Klimanotstandes hat diese Schönrednerei ein Ende! Ab jetzt wird klar kommuniziert, dass wir uns in einer immensen Krise befinden und dringend handeln müssen. Die Ausrufung des Klimanotstandes hat erreicht: Klimaschutz ist in Konstanz ab sofort Chefsache und hat oberste Priorität bei allen Entscheidungen.
Nach persönlichen Gesprächen mit allen Fraktionen sind fünf Fraktionen unserer Forderung gefolgt und haben einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Ausrufung des Klimanotstandes gestellt. Diese Fraktionen sind: Das Junge Forum, die Freie Grüne Liste, SPD, FDP und die Linke Liste. Zwei Stadträte der Freien Wähler haben den Antrag nachträglich unterschrieben – persönlich und ohne Unterstützung der Fraktion.
Die Stadtverwaltung veränderte unsere vorgeschlagene Resolution etwas – ein paar Punkte ergänzte sie sinnvoll, während ein paar Punkte nicht unseren Vorstellungen eines Klimanotstandes entsprachen. Diese Punkte sprachen wir bei erneuten persönlichen Gesprächen mit allen Fraktionen an und forderten Änderungsanträge.
Am Donnerstag, den 2. Mai, befasste sich der Gemeinderat mit dem Antrag der Verwaltung. Um deutlich zu machen, wie ernst uns unsere Zukunftsängste sind und wie dringend wir den Klimanotstand brauchen, wurde ab 15:30 Uhr vor dem Rathaus eine Mahnwache abgehalten. Unsere Präsenz und der Druck der Demonstrationen führten dazu, dass all unsere Änderungswünsche beschlossen wurden und der Klimanotstand einstimmig im Gemeinderat angenommen wurde. Konstanz rief damit als erste deutsche Stadt den Klimanotstand aus! Viele andere deutsche Städte sind gerade dabei den Klimanotstand auszurufen oder haben dies mittlerweile schon getan (zum Beispiel Kiel).
Konkret Beschlossen wurde
Der Konstanzer Gemeinderat
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- erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an.
- erkennt, dass die bisherigen Maßnahmen und Planungen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
- berücksichtigt ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen, und bevorzugt Lösungen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken. Hierzu wird für sämtliche politische Beschlussvorlagen ab Juni 2019 das Kästchen „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ mit den Auswahlmöglichkeiten „Ja, positiv“, „Ja, negativ“ und „Nein“ verpflichtender Bestandteil. Wird die Frage mit „Ja, positiv“ oder „Ja, negativ“ beantwortet, muss die jeweilige Auswirkung in Zusammenarbeit mit dem Klimaschutzbeauftragten in der Begründung dargestellt werden.
- stellt fest, dass der 2016 verabschiedete Zeitplan im integrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) bei einer Gesamtbetrachtung nicht eingehalten wird. Klimaschutz lässt sich nicht in rein territorialen Grenzen betrachten und ein großer Teil der durch Konstanzerinnen und Konstanzer verursachten Emissionen fällt außerhalb des Stadtgebietes an. Prüfaufträge zu zusätzlichen Maßnahmen sind daher Gegenstand von Vorlage 2019-4128.
- fordert den Oberbürgermeister auf, dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit halbjährlich (im Rhythmus der Vorhabenliste) über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten.
- fordert auch andere Kommunen, die Bundesländer und die Bundesrepublik Deutschland auf, dem Konstanzer Vorbild zu folgen und den Klimanotstand auszurufen. Insbesondere macht er Land und Bund darauf aufmerksam, dass ein vollständiges Einhalten der Klimaschutzziele auf kommunaler Ebene unter den derzeitigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich ist. Erst ein vollständiger Abbau weiterhin bestehender Subventionen für fossile Energieträger, eine sozial gerecht ausgestaltete CO2-Bepreisung, eine grundlegend veränderte Verkehrspolitik und eine klimaschutzkonforme Förderung des sozialen Wohnungsbaus würden hier das dringend benötigte Fundament legen.
- fordert auch die städtischen Beteiligungen dazu auf, sich verstärkt mit ihren Möglichkeiten im Klimaschutz auseinanderzusetzen und dem Gemeinderat dazu vor Jahresende Bericht zu erstatten.