Klimaneutraler landkreis Konstanz
Gemeinsame Forderungen von:
Fridays for Future Konstanz | Fridays for Future Radolfzell | Fridays for Future Singen
unterstützt von:
Parents for Future Konstanz | Parents for Future Radolfzell/Singen
KLIMASCHUTZ JETZT!
Seit über zweieinhalb Jahren demonstrieren Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Konstanz, Radolfzell, Singen, Stockach und anderen Gemeinden des Kreises Konstanz für eine engagierte Klimaschutzpolitik, die sich den enormen Herausforderungen stellt und die Umsetzung der Pariser Klimaziele lokal sicherstellt. Aber auch zwei Jahre nachdem Konstanz im Mai 2019, als größte Stadt des Kreises, den Klimanotstand ausgerufen hat, um die Bekämpfung der Klimakrise zur Aufgabe höchster Priorität zu erklären, hat sich im Landkreis Konstanz kaum etwas getan.
Klimaschutz spielt in Kreistag, Kreisverwaltung und zahlreichen Kommunen weiterhin nur eine Nebenrolle. Eine Strategie zur Umsetzung der bereits 2015 (!) in Paris verabschiedeten Klimaziele auf der lokalen Ebene sucht man bisher vergeblich. Demzufolge fndet auch auf der Umsetzungsebene kaum Klimaschutz statt und die personelle Ausstattung im Kreis und vielen Kommunen ist der Größe der Aufgabe in keinster Weise angemessen. Bei der Umsetzung der Energiewende ist der Kreis Konstanz sowohl in Baden-Württemberg als auch im bundesweiten Vergleich sogar eines der Schlusslichter. Da über den Großteil unserer CO2-Emissionen hier bei uns vor Ort entschieden wird, sei es durch die Lokalpolitik oder auch private Konsumentscheidungen, ist diese Situation nicht weiter hinnehmbar.
Fridays for Future fordert deshalb den Kreistag auf, endlich auch für den Landkreis Konstanz eine klare Klimaschutz-Strategie (integriertes Klimaschutzkonzept) zu entwickeln und parallel mit wirksamen und mengenmäßig relevanten CO2 – Minderungsmaßnahmen zu beginnen. Diese Maßnahmen müssen sofort einsetzen.
Mit dem Monitor Energiewende der HTWG Konstanz gibt es bereits einen Bericht aus dem sich erste wirkungsvolle Handlungsoptionen ableiten lassen. Was es jetzt braucht sind reale jährliche Reduktionen beim CO2-Ausstoß, ein klarer Absenkpfad und ein Ziel mit überprüfbaren Zwischenzielen. Um das Landkreis-Budget für 1,5 Grad (5,3 Mio. Tonnen CO2 ab Anfang 2021) nicht zu überschreiten wird eine schnellere Reduktion nötig sein als im Monitor Energiewende beschrieben. Mit der neuen Klimaschutz-Strategie muss deshalb eine Nachjustierung des Absenkpfades an die 1,5 Grad Grenze erfolgen. Die anfänglichen Reduktionen müssen deutlich ambitionierter ausfallen um einen generationengerechten, d.h. nichtlinearen Verlauf des Absenkpfades zu gewährleisten. Um kontinuierliche Reduktionsfortschritte sicherzustellen müssen Zwischenziele defniert und etwaige Korrekturmechanismen bei Nichteinhaltung festgelegt werden.
Juni 2021
Ausgewählte Forderungen (die gesamten Forderungen findet ihr im PDF)
Begründung: Über fünf Jahre nach Inkrafttreten des Pariser Klimaschutzabkommens hat der Landkreis noch immer kein Klimaziel, das in irgendeiner Weise klimawissenschaftlich begründet ist. Besonders traurig ist dies, da das Bundesverfassungsgericht jüngst noch einmal klargestellt hat, dass das Pariser Klimaschutzziel Verfassungsrang hat, Klimaschutzziele begründet sein müssen und die Reduktionsanstrengungen nicht alleinig auf zukünftige Generationen verschoben werden dürfen, sondern fair verteilt sein müssen. All dies fehlt auf Kreisebene bisher komplett.
Interner CO2-Preis
Einführung eines Schattenpreises von 195 € (gekoppelt an die aktuelle Folgekostenabschätzung des UBA) je Tonne CO2 für Sanierung und Neubau von Liegenschaften, Beschaffung und Dienstreisen des Landkreises und aller Eigenbetriebe. Bei allen Ausschreibungen muss der Kreis fordern, dass sich bewerbende Firmen ebenso mit diesem Schattenpreis kalkulieren.
Begründung: Jede Tonne CO2, die wir heute ausstoßen, verursacht in der Zukunft einen Schaden von mindestens 195 €. Werden diese Kosten nicht berücksichtigt, scheinen CO2-intensive Investitionen günstiger als sie tatsächlich sind, da sie in Zukunft zu großen, auch finanziellen, Schäden führen werden. Aktuell werden diese Kosten auf zukünftige Generationen ausgelagert. Um das für 1,5 Grad notwendige CO2-Budget einzuhalten und Generationengerechtigkeit herzustellen, ist es dringend notwendig, diese Externalisierung zu beenden und die Folgekosten des CO2-Ausstoßes einzuberechnen.
Der Landkreis bebaut bis zum Jahr 2030 3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit Freiflächen-Solaranlagen. Darüber hinaus erschließt der Landkreis das Photovoltaikpotential an Lärmschutzwänden, parallel zu Straßen und auf stillgelegten Deponien.
Begründung: Zentrales Element aller Klimaschutzbemühungen ist eine erneuerbare Energieversorgung. Wie auch der Energiewendemonitor der HTWG feststellt, sind die Potentiale von Wind- und Wasserkraft im Landkreis sehr begrenzt, daher muss der Ausbau vorrangig über Photovoltaik erfolgen. Die Firma Solarcomplex hatte vergangenes Jahr errechnet, dass eine 100-prozentige erneuerbare Stromversorgung bedeuten würde, dass ca. 3 Prozent der versiegelten Fläche und 1 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit PV Anlagen bebaut werden müsste. Es ist davon auszugehen, dass sich der Stromverbrauch durch die Zunahme bei der Elektromobilität und bei elektrisch betriebenen Wärmepumpen in den nächsten Jahren nahezu verdoppelt. Hinzu kommen zusätzliche Reserven für etwaige Verluste bei der Stromspeicherung. Der tatsächliche Bedarf für eine 100-prozentige erneuerbare Energieversorgung liegt deshalb voraussichtlich eher bei ca. 3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche plus 3 Prozent der bereits versiegelten Fläche.
Momentan werden knapp 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für den Anbau von Energiepflanzen für Biogas genutzt. Beim Einsatz von Photovoltaik ließe sich auf der gleichen Fläche etwa 50-mal so viel Energie erzeugen. Es ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zukunft sehr viel weniger Energiepflanzen angebaut werden, da die Förderung von Biogasanlagen durch das EEG deutlich eingeschränkt wurde. Der Landkreis muss hier unterstützend eingreifen und Landwirt:innen z.B. attraktive Pachtverträge anbieten oder beraten um eine Umstellung auf Freiflächen-PV zu erreichen. Dies wäre auch zur Stärkung der Artenvielfalt hilfreich (Siehe z.B. Freiflächen-Anlage Mooshof https://www.photovoltaik-bw.de/pvnetzwerk/best-practice/der-mooshof/).
Wärmeplanung
Der Landkreis koordiniert die Durchführung einer landkreisweiten Wärmeplanung (Nach Paragraf 7c Klimaschutzgesetz BW). In der Wärmeplanung werden einerseits die Potentiale und Quellen an erneuerbarer Wärme erfasst, andererseits, gemeinsam mit den Versorgungsunternehmen eine Strategie erarbeitet, wie der Landkreis bis 2030 eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreicht. Das erarbeitete Konzept wird anschließend in die Umsetzung gebracht.
Begründung: Zentrales Element der Wärmewende ist die Wärmeplanung. Die Landesregierung forderte dies daher auch im Klimaschutzgesetz für die 103 größten Kommunen in Baden-Württemberg und fördert alle anderen Kommunen. Wichtig ist insbesondere, dass die Wärmequellen im Landkreis gerecht verteilt werden und gerade auch kleinere Kommunen vom Landkreis bei dieser Aufgabe unterstützt werden. Die Versorgungsunternehmen müssen in die Wärmeplanung mit einbezogen werden und in die Verantwortung für einen schnellen Gasausstieg (bis spätestens 2030).
MobilitätsgarantIe
Eine gute ÖPNV Anbindung für alle ab 2026. Einführung eines 365-Euro-Tickets für Erwachsene. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren sollen ab 2022 kostenfrei die Nahverkehrsangebote im Kreis nutzen können.
Begründung: Für die Einhaltung des Kreiseigenen CO2-Budgets, muss auch der Verkehr im Landkreis bis spätestens 2035 klimaneutral gestaltet werden. Dafür sind in erster Linie Verkehrsvermeidung und Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den ÖPNV und das Fahrrad notwendig. Innerhalb des Landkreises sind gute und kostengünstige ÖPNV-Verbindungen dafür von zentraler Bedeutung.
Der Landkreis Konstanz soll daher über den VHB eine Mobilitätsgarantie für seine Einwohner*innen gewährleisten. Konkret bedeutet dies, dass Ortschaften von fünf Uhr bis Mitternacht mit Bussen, Bahn oder Ruftaxis halbstündlich durch öffentliche Verkehrsmittel erreichbar sein müssen. Diese Mobilitätsgarantie muss spätestens bis 2026 gewährleistet sein. Auf Hauptverkehrsstrecken, wie beispielsweise der Seehasstrecke, ist sowohl eine 15-minütige Taktung tagsüber, als auch ein stündlicher Verkehr nachts notwendig.
Außerdem muss der Zugang des ländlichen Raums (z.B. Hegau, Bodanrück, Höri) zur Schiene durch adäquate Busverkehre inkl. „On Demand“-Dienste (z.B. Rufbusse), sichergestellt werden. Für diesen massiven Ausbau sind zusätzliche finanzielle Mittel notwendig. Diese könnten beispielsweise durch die im Koalitionsvertrag der Neuen Landesregierung angekündigte Möglichkeit eines Mobilitätspasses generiert werden. Dieser ermöglicht es Kommunen eine Abgabe von KFZ-Besitzer:innen, idealerweise gestaffelt nach der Hubraumgröße und ggf. auch eine Abgabe von Einwohner*innen ohne Auto, zu erheben. Diese Mittel werden genutzt um ein besser ausgebautes und vergünstigtes ÖPNV Angebot zu finanzieren.
Neubewertung allerer Bau- und Infrastrukturprojekte
Alle Bau- und Infrastrukturprojekte mit einer Auftragssumme > 500.000 Euro, die sich aktuell in Planung befinden, werden im Hinblick auf ihre Klimaauswirkungen neu bewertet um unverhältnismäßige Belastungen des verbleibenden CO2-Budgets zu verhindern.
Begründung: Laut dem Weltklimarat (IPCC) dürfte die Welt, um die 1,5-Grad-Grenze mit einer zwei Drittel Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten, 2018 noch 420 Mrd. Tonnen CO2 ausstoßen. Bisher nicht mit einberechnete Kippelemente, wie z.B. ein schnelleres Auftauen des Permafrostbodens, könnten dieses Budget um 100 Mrd. Tonnen CO2 auf nur noch 320 Mrd. Tonnen reduzieren. Nach einer Studie von Dan Tong et al. aus dem Fachmagazin Nature (Tong et al., 2020) würde die Menschheit alleine durch bereits existierende Infrastruktur ca. 650 Mrd. Tonnen CO2 ausstoßen, falls diese so betrieben werde, wie beim Bau geplant. Würden darüber hinaus alle Projekte noch umgesetzt, die bereits in der Planung sind, so würde die Menschheit alleine aus diesen Quellen insgesamt 850 Mrd. Tonnen CO2 ausstoßen, also bereits 2 bis 3 mal so viel wie das gesamte verbleibende CO2-Budget. In dieser Studie nicht mit einberechnet sind Projekte, die zum Zeitpunkt der Studie noch nicht in Planung waren, sowie die Landwirtschaft, die mit ihren Emissionen voraussichtlich ebenfalls das 1,5-Grad-Budget sprengen wird. Mit anderen Worten, wenn die Menschheit eine Chance darauf haben will auf diesem Planeten zu überleben, dann müssen alle Projekte, die momentan nicht klimaverträglich sind, sofort gestoppt werden. Auch für den Landkreis hat dies besondere Bedeutung, weil auch hier konventionell geplante Bau- und Verkehrsprojekte nicht mit der Einhaltung eines Paris-kompatiblen CO2-Absenkpfades bzw. Budgets vereinbar sein dürften. Das geplante Kreis-Berufsschulzentrum beispielsweise ist, allein durch seine Größe, sicher ein solcher Prüffall.
Klimavorbehalt
Bei sämtlichen Bauprojekten und Beschaffungen des Landkreises muss ab sofort die jeweils klimaschonendste und kreislauffähigste Variante gewählt werden.
Begründung: Allein die Bauwirtschaft ist für ca. 60 Prozent des deutschen Abfallaufkommens verantwortlich. Bau- und Betrieb von Infrastruktur und Gebäuden ist zudem für einen großen Teil unserer CO2-Emissionen verantwortlich.
LeItbild klimapositive BIO-Region
Der Kreis macht sich für eine nachhaltige, biodiversitätsfördernde und klimapositive Form der Landwirtschaft stark. Bis 2030 ist der Kreis eine reine Bio-Region und die Landwirtschaft leistet flächendeckend ihren Beitrag zur dauerhaften Bindung von CO2, insbesondere über Humusaufbau. Für diese Zusatzleistung der Landwirtschaft zur Erreichung der Klimaziele soll ein angemessener finanzieller Ausgleich erfolgen.
Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung
Die Wirtschaftsförderung muss zu einem Multiplikator der Klimawende werden. Sie unterstützt und motiviert die Unternehmen im Kreis bei ihrem Weg hin zu einer klimaneutralen und gemeinwohlorientierten Kreislaufwirtschaft.
Transparenz herstellen
Der Landrat informiert halbjährlich die Öffentlichkeit über Fortschritte und Probleme bei der Umsetzung der Klimaziele.